#1 Starting Over

Did I tell you already that I am a „Beatles“ fan forever? Not? Ok, it may happen from time to time in this blog.

If you are more inclined towards the „Stones“, please forgive me and I hope this is not a showstopper for you to continue reading this blog. By the way, I like the „Stones“, too. (I like a lot of music, I may write about if from time to time. Because this is a blog about internal audit, coaching, training, culture and life. So basically, about everything)

But I digress as I wanted to tell something completely different. And that refers to the the title of today’s post, taking from the refrain of a wonderful John Lennon song (with which we would have created the connection to the „Beatles“ mentioned at the beginning).

„Starting over“ corresponds exactly to my current state of mind and there could be not better song to reflect this.

Why?

The whole thing has two dimensions. First, there is the blogging itself. I did it already in the past, preferably in German and most of the time about my travel experiences. Then I paused for some years (I can’t really tell you why, maybe it was just some kind of laziness). Now I am back, in English and with a new label and website: http://www.auditandmore.art. Which leads us directly to the second reason.

I am working now for almost 39 years in the financial industry, most of this time as „Internal Auditor“. I became 58 this year (yeah, I’ve started with work at the age of 19!). And to be honest, I see a lot of colleagues in my age retiring early, or at least thinking about it. And people asked me: „What about you? How many years do you have still to work?“ And my answer is always: „I don’t know. I have just have started over.“ And I get the one or other uncomprehending look: „At your age?“

Yep, at my age. Why not? Steve Winwood once sung „While you see a chance, take it!“ (yes, music is all time present in this blog) and that’s exactly what I have done. I saw a chance. And I took it. I saw the chance after almost 39 years doing more less the same, to become something different, a trainer and a coach for internal auditors. Since April this year (so still a short period of time), I experience the great feeling going to work and really doing what I love. And even if I should be the one who teach my colleagues, I recognize that I learn so much more for mself, day by day. But I don’t want to keep it to myself, I want to share it with everyone who is interested. And that’s why I reactivated my blog and that’s why I feel like I am „Starting Over“.

And of course, at the end of this post, I would like to share this wonderful song from John Lennon.

Do you want to read more about Audit and More? Then I would be happy if you follow my blog and don’t miss any more posts. And of course, I am always grateful for comments and suggestions! We read each other!

Sincerely,

Rüdiger

„Immer diese Österreicher….“

Treten wir doch mal einen Schritt zurück und schauen uns in Ruhe an, was bisher passiert ist. Eine junge österreichische Kabarettistin steigt binnen kürzester Zeit kometenhaft in den deutschsprachigen Kleinkunst-Olymp auf. Ihr „Kunstfigur“ (so sie denn eine ist) lässt auf der Bühne keine Gelegenheit aus, jedes erdenkliche Tabu zu brechen. Das mag vielen geschmacklos, gar eklig vorkommen, anderen wieder gnadenlos witzig. Ich persönlich habe sehr gelacht über ihren Spruch: „Sie jubeln mir zu, diese Deutschen! Einer an Kunstschulen abgelehnten, grantelnden Österreicherin. Sie lernen einfach nicht dazu!“.

Ob man es mag oder nicht, es ist Kunst, es ist Satire. Satire darf alles, die Kunst ist frei, so weit, so gut.

Dann kam die Sache mit den Juden. In einem Land, das wie kaum ein anderes in der Weltgeschichte schwerste Schuld auf sich geladen hat, wird einer jungen aufstrebenden österreichischen Kabarettistin (wir sprachen gerade bereits von ihr) im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Plattform geboten, übelste und dumpfe antisemitische Klischees auszubreiten. Ironische Brechung? Augenzwinkern? Das Ganze in einen neuen, das Publikum überraschenden und überrumpelnden Kontext setzen? Fehlanzeige. Darf man das? Eine Antwort darauf zu geben ist nicht leicht, wir sind ja immer noch im Bereich von Kunst und Satire. Vielleicht verstehe ich ja auch einfach ihren Humor nicht. Vielleicht ist irgendwo hinter dem Bedienen von antisemitischen Vorurteilen, noch eine zwei, dritte oder vierte Ebene, die sich mir nicht erschließt. Vielleicht bin ich einfach zu dumm dafür. Sei’s drum.

Aber das Publikum lacht, ist begeistert und applaudiert. Und plötzlich erscheint mir „Sie jubeln mir zu, diese Deutschen“ in einem ganz anderen Kontext. Und mir wird übel.

Aber dann sind da noch die, die nicht jubeln. Die sich persönlich getroffen und zutiefst verletzt fühlen. Sie sind die Opfer oder direkten Nachkommen der Opfer, denen wir Deutsche (in erfolgreicher Zusammenarbeit mit einem „Österreicher, dem man auch zugejubelt hat“) Unsagbares angetan haben.

Sie haben jedes Recht, sich betroffen und angegriffen zu fühlen. Kunstfreiheit hin oder her. Sie äußern ihre Betroffenheit, ja ihre tiefe Verletzung öffentlich. Nebenbei bemerkt, auch das ist Meinungsfreiheit.

Und dann kommt Dieter Nuhr ins Spiel.

Eins vorweg: In den späten 90er Jahren war ich ein Riesenfan von Dieter Nuhr, habe ihn vielfach live auf der Bühne gesehen und er war für mich damals eine der wesentlichen Inspirationen, selbst eigene Kabaretttexte zu schreiben und auf die Bühne zu gehen.

Seit einigen Jahren beobachte ich seine „Entwicklung“ mit einiger Fassungslosigkeit. Wäre ich Anhänger von Verschwörungstheorien, würde ich mutmaßen, dass Dieter Nuhr längst ausgetauscht wurde gegen einen Außerirdischen, einen Echsenmenschen, was weiß ich…aber ich kann ihn nicht mehr im Zusammenhang bringen mit dem Künstler, den ich live auf der Bühne gesehen. Aber so ist es halt, jeder Mensch entwickelt sich, in die eine oder andere Richtung. Im Prinzip war er mir dann auch in den letzten Jahren als Zuschauer egal, ich habe ihn „links“ liegen lassen, oder „rechts“, je nach Betrachtungsweise.

Aber jetzt kann ich nicht mehr weggucken. Dieter Nuhr nimmt die „junge österreichische Künstlerin, der die Deutschen zujubeln“ öffentlich in Schutz (ist sein gutes Recht und der Ausschluss vom Hamburger Literaturfestival ist sicherlich diskutabel) und schießt dabei doch übers Ziel hinaus, weit hinaus.

Kritikern jener österreichischen Künstlerin, die auf die unreflektierte Wiedergabe von antisemitischen Klischees hinweisen, werden von Herrn Nuhr in Bausch und Bogen als „böswillig“ oder „geistesgestört“ (oder „eine Mischung aus beidem“) dargestellt.

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Schauen wir doch bitte mal genau hin: 75 Jahre nach dem Holocaust, nach der Befreiung von Ausschwitz und anderen Vernichtungslagern, nur wenig Zeit nach einem versuchten Anschlag auf eine jüdische Synagoge mitten in Deutschland, die tragischerweise zwei Todesopfer forderte und doch noch weitaus verheerendere Folgen hätte haben können, stellt sich ein vielfach preisgekrönter und in dem Medien omnipräsenter Kabarettist hin und brandmarkt folgende jüdische und/oder israelische Organisationen als „böswillig“ oder „geistesgestört“, im schlimmsten Falle beides:

  • Der Zentralrat der Juden in Deutschland
  • Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG)
  • Das American Jewish Committee (AJC) Berlin
  • Der Bundesverband RIAS (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus)
  • Das jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA)
  • Die Jüdische  Studierendenunion Deutschland (JSUD)

Die Liste mag gar nicht vollständig sein; aber eine erste Recherche zeigt, dass Vertreter eben dieser Organisationen deutliche Kritik am Auftritt der „Österreicherin“ geäußert haben und auf die –aus ihrer Sicht- bedenkenlose Nutzung antisemitischer Stereotypen um ein paar Schenkelklopfer willen hingewiesen haben.

Wir leben mittlerweile in einem Land, dass –wie Vertreter von RIAS- richtigerweise sagen- von einem „allgemeinen Sinken der Hemmschwelle in Bezug auf antisemitisches Handeln gekennzeichnet ist, was sich wiederum in einem hohen Bedrohungsgefühl bei Jüdinnen und Juden, die in Deutschland leben, festmacht.“

Für Herrn Nuhr sind diese Menschen schlichtweg „geistesgestört“.

Und für diese Äußerung bekommt er auch noch breite Zustimmung in den „sozialen“ Medien.

Jetzt ist mir wirklich übel.

Wir lesen uns!

 

 

 

Unterwegs in Music City – Eine Woche in Nashville / Tennessee (Part I)

Eigentlich habe ich mich nie besonders für „Country Music“ interessiert. Zugegeben, das ist jetzt ein ziemlich unpassender Einstieg in einen Beitrag, der davon handelt, dass ich mich im Sommer 2018 eine Woche lang just in der „Hauptstadt“ eben dieser Musikrichtung aufgehalten habe. Aber der Satz zu Beginn dieses Beitrags ist auch nicht ganz richtig, genauer gesagt, er ist unvollständig, es fehlt nämlich ein entscheidendes Wort: „Früher“!

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Also noch einmal von vorn: Früher habe ich mich eigentlich nie besonders für „Country Music“ interessiert. Na bitte, das hört sich doch schon ganz anders an. Was so ein einzelnes Wort alles bewirken kann, in diesem Fall impliziert es, dass die Lage „heute“ im Gegensatz zu „früher“ eine ganz andere ist. Und so ist es auch! Aber wie konnte das passieren? Zumal bei jemanden, der musikalisch eigentlich in ganz anderen Gefilden unterwegs ist und war? Jemand, der, seitdem er  begonnen hat, sich einen selbständigen Musikgeschmack zu  bilden (also so ungefähr mit 12) die „Beatles“ verehrt und nach wie vor für das NonPlusUltra der Musik des 20. Jahrhunderts hält (und wahrscheinlich auch des 21., 23. und 24. …)? Jemand, der mit Pink Floyd, Rolling Stones, Genesis, Queen, Led Zeppelin, Metallica und vielen anderen Bands groß geworden ist, die heute noch seinen musikalischen Kanon bilden? Jemand, der seit vielen Jahren auch in Punk und Metal unterwegs ist, jemand, für den „London Calling“ von The Clash eines der besten Alben aller Zeiten darstellt. Wie kommt so jemand an – und hier zitiere ich mal Wikipedia:

„A genre of popular music that takes its roots from genres such as blues and old-time music, and various types of American folk music including Appalachian, Cajun, and the cowboy Western music styles of Red Dirt, New Mexico, Texas country, and Tejano. Its popularized roots originate in the Southern United States of the early 1920s. “

Nun, eigentlich kann ich den Zeitpunkt recht gut bestimmen, es muss Frühjahr 2017 gewesen sein, also rund 12 Monate vor unserem Kanada/USA Trip, als ich auf der Suche nach neuen Songs und neuer Musik auf der Website des „Musikexpress“ surfte. Und dann bei einer Meldung hängen blieb, dass der großartige Mick Jagger gemeinsam einen Song  („Drive of Shame“) performt mit Brad Paisley auf dessen neuem Album „Love and War“. Brad wer??

Also wie man sieht und hört, gibt es in diesem Beitrag nicht nur Lesestoff sondern auch was auf die Ohren. Jedenfalls war ich von diesem Song sofort gefangen genommen, er klang, dank Micks Stimme auf der einen Seite wie von den Stones und dann doch wieder ganz anders, dazu diese Gitarre…..also erstmal gegoogelt, um wen es sich denn da eigentlich handelt, der mit dem „Rolling Stone“ gemeinsame Sache macht.

Und siehe da, Mr. Paisley scheint einer der Superstars zu sein in einer Szene, die mir bis dato noch völlig unerschlossen war. Gleichwohl war meine Neugierde aufgrund des o.g. Songs nun geweckt und so „arbeitete“ ich mich in den kommenden Wochen durch eine für mich weitestgehend noch unbekannte musikalische Welt,  in der ich fortan auf so manche Aspiranten für meine „All Time Favorite Playlist“ stieß. Und dabei musste ich auch so manches Vorurteil über Bord werfen. War ich doch sicher nicht der einzige, der bei „Country Music“ bisher ausschließlich an Cowboys, jaulenden Steel-Guitars und kitschige Fernfahrer-Romantik à la Truck Stop dachte. Doch bald schon musste ich erkennen, dass das Universum der Country Music nicht nur eine rund 100jährige Geschichte aufweisen kann, sondern auch so viele unterschiedlichen Spielarten beheimatet wie man es beispielsweise aus dem Metal kennt. Als da wären u.a.: Blue Grass, Honky Tonk, Nashville Sound, Western Swing, Americana, Bakersfield Sound, Outlaw Country, Country-Rock, Neo-Country, Neotraditionalist Country (ist wohl was anderes als purer Neo-Country), Country-Pop….und …und …und! Nicht zu vergessen, der etwas rabiatere Bruder der Country Music, der „Southern Rock“, den ich bereits schon zuvor auf meinem musikalischen Radar hatte. Als Beispiel sei hier genannt die großartigen Lynyrd Skynyrd (und ja, es gibt von ihnen tatsächlich andere Songs als „Sweet Home Alabama“, wie zum Beispiel diese „extended“, über 10 Minute lange Version von „Free Bird“, fantastisch)

Kennt Ihr noch das Gefühl, wie Ihr als Kinder oder Jugendliche zum ersten Mal einen Song, ein Album, eine Musik gehört habt, die Euch fortan Euer ganzes Leben begleitet? Ich erinnere mich noch sehr gut an solche Momente: Das erste Mal „The Beatles“ auch bekannt als das „White Album“ von 1968, das ich Anfang der 80er auf der elterlichen „Musiktruhe“ hörte, nachdem ich die Doppel-LP stolz im „Elpi“ im Krefelder Schwanenmarkt (wer kennt den Laden noch?) für große Teile meines Taschengelds erstanden hatte. (Ich merke schon, darüber muss ich mal einen eigenen Beitrag schreiben, ich komme vom Thema ab, hier soll es schließlich um Nashville gehen.)

Also zurück zum Thema! Zurück zu Nashville. Zur der Zeit, als sich der Song „Drive of Shame“ von Brad Paisley feat. Mick Jagger in meinen Gehörgängen festgesetzt hatte, waren unsere Sabbatical Pläne für das kommende Jahr schon weit gediehen. Kanada und USA würden auf jeden Fall auf dem Plan stehen, nur die genaue Reiseroute stand noch nicht fest. Jetzt stand auf jeden Fall eine weitere Station im Raum: Nashville, Tennessee, die Music City im Süden der USA, denn mittlerweile hatte ich so viel -für mich- neue Musik gehört, dass ich unbedingt da hin wollte, wo große Teile von dem Zeug produziert werden. Zugegeben, ein bisschen Überzeugungsarbeit musste ich noch bei meiner Frau Betti leisten, teilt sie zwar größtenteils meinen Musikgeschmack, was zum Beispiel Metal und Alternative angeht, mit Country hatte sie bisher -ebenso wie ich- nicht so viel zu tun gehabt. Aber darum ging es ja auch in unserem Sabbatical: Neue Erfahrungen sammeln und Eindrücke gewinnen, die man bisher nicht hatte.

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Es war schnell klar, dass wir -wie eigentlich bei fast allen Stationen unserer Reise- uns ausreichend Zeit lassen wollten und so hielten wir Ausschau nach einer entsprechenden Wohnung und freuten uns sehr, ganz in der Nähe von Nashville Downtown fündig zu werden. Nun, es war sogar ein ganzes Haus, das unser Gastgeber James als „Retro Living East Nashville“ im Netz anpries und die Unterkunft erwies sich in der Tat als wahres Schmuckstück, wie die Fotos hier sicher auch zeigen:

Man muss sagen, für einen Aufenthalt in Nashville war diese liebevoll ausgestattete Wohnung fast schon zu schön. Denn wenn man in dieser Stadt ist, dann will man ja raus ins musikalische Nachtleben (dazu komme ich noch), andererseits fühlte man sich hier vom ersten Moment an wie zu Hause und wollte am liebsten direkt ganz da bleiben; dazu kam noch, dass James eine absolut erstklassige Sammlung von Filmen und Serien bereit hielt, mit denen man sich alleine gut ein paar Wochen beschäftigen könnte (insofern die ideale Bleibe für den nächsten Lockdown). Darunter auch die komplette Orignal Serie „The Twilight Zone“, 28 DVDs, 156 Folgen, der Hammer!!! Leider blieb nur für ein bis zwei Folgen Zeit, denn da draußen lockte ja „Music City“.

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Und so flogen wir im Juli 2018 von Boston aus nach Nashville (ja, ich weiß, der ökologische Fußabdruck meiner ganzen Kanada/USA Reise wird mir auf ewig eine Schuld sein, die ich wohl kaum begleichen kann, auch wenn derzeit und b.a.w. meine Flugpläne gegen Null gehen.), bezogen unsere wunderbare Bleibe in East Nashville, bekamen von James noch Tipps, wie am besten mit dem Bus nach Downtown kommt und schon stand einer musikalischen Woche ganz im Banne der „Country Music“ nichts mehr im Wege.

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Nun hatten wir uns vorher gar keine konkreten Gedanken gemacht, auf welche Weise und wo wir in Nashville Musik hören und Band sehen werden. Konzerttickets hatten wir uns nicht besorgt, wir dachten eben, es wird bestimmt den ein oder anderen Club geben, in dem Livemusik gespielt wird. Den ein oder anderen Club? Nun, das war maßlos untertrieben, wie wir feststellen, als wir am Tag unserer Ankunft gegen 13:00 Uhr mittags (wir waren früh von Boston abgeflogen) durch Nashville/ Downtown schlenderten und dann auf den Broadway einbogen (nicht zu verwechseln mit dem berühmten New Yorker Namensvetter). Direkt, noch bevor wir um die Ecke bogen, sah ich durch ein Fenster einen Drummer, der sein Schlagzeug bearbeitete und meinte noch zu meiner Frau: „Ach schau mal, hier in dem Laden spielen sie schon mittags“, um dann, als wir vollends um die Ecke bogen, völlig geflasht zu werden. Denn dieser „eine Laden“ stellte sich als einer von mindestens 50(!) dar, die sich hier wie auf einer Perlenkette aufgereiht auf beiden Seiten des Broadways entlang streckten. Wir standen mitten auf der Straße und der Eindruck war einfach überwältigend, optisch wie auch akustisch. Aus jedem dieser Clubs war-wohlgemerkt zur Mittagszeit- Livemusik zu hören, die sich hier mitten auf dem Broadway zu einem einzigarten MusikGeräuschMischMasch zusammenfügte, wie man es vielleicht sonst nur von einem Kirmesbesuch kennt. Aber das hier war um ein Vielfaches lauter und gewaltiger.

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Im ersten Moment denkst Du nur: Und jetzt? Ich kam mir vor, wie vor einer riesigen Musicbox zu stehen, mit einer unendlichen Auswahl an Titeln, wo ich mich nicht entscheiden konnte, welchen Song ich denn auswählen sollte. Dazu muss man wissen, der Eintritt zu all diesen Musikclubs, die bereits jetzt um die Mittagszeit gut besucht waren, ist frei. Natürlich sollte/muss man ein Getränk bestellen und für die Band wird auch ein Tip (Trinkgeld) erwartet, aber im Prinzip kann man jeweils erstmal kurz in jeden Laden reinschauen und -hören, ob einem die Band und die Musik, die da gerade gespielt wird zusagt und man sich entscheidet, zu bleiben. Ansonsten zieht man einfach weiter. Ein kleiner Tipp für alle, die vorhaben, einmal nach Nashville zu fahren: Geht einfach rein in einen Club, macht es nicht wie bei Netflix, wo ihr erstmal 2 Stunden lang rumswitcht, bevor Ihr Euch für eine Serie entscheidet (wenn überhaupt), überlegt nicht lange, sondern setzt Euch einfach an die Bar oder ein Tisch, bestellt ein kühles Getränk und hört der Band zu. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, egal in welchem Laden wir gelandet sind, die Bands bestehen aus erstklassigen Musikern, die Ton-Qualität ist 1a und es macht einfach Riesenspaß, Live-Musik so unmittelbar zu erleben. Nun ist Nashville natürlich auch eine absolute Touristenhochburg, aus den ganzen USA reisen die Leute an, um hier ein paar Tage auf dem Broadway zu verbringen. Trotzdem kann man sagen, dass hier keine Ballermann Atmosphäre aufkommt, die Besucher sind gekommen, um wirklich die Musik zu hören und die Bands zu feiern und das trägt natürlich auch dazu bei, dass man hier viele großartige Stunden im „District“ verbringen kann.

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Und es wurden wahrlich viele Stunden, direkt am ersten Tag unserer Ankunft, blieben wir von 13.00 Uhr bis weit in den Abend hinein auf dem „Broadway“. Bis zu zwei Stunden verbrachten wir in einem Club und lauschten der Band, bevor wir in eine andere Location wechselten. Nun muss man wissen, hier in Nashville im „District“ zu spielen, ist sicher der Traum vieler Musiker, und soweit ich das beurteilen konnte, fanden sich hier auch wirklich exzellente Künstler zusammen, die teils auch ihr Geld als Studiomusiker in einem der vielen an den „District“ grenzenden Studios verdienen und in den Music-Clubs immer wieder in ganz neuen Konstellationen als „unique“ Band eben für diesen Abend zusammenkommen. Aber die Bedingungen in dem meisten Clubs sind auch knochenhart: Keine Festgage, ausschließlich Tips vom geneigten Publikum, und in der Regel 3 Stunden Spieldauer mit nur minimalen Pausen. Jeder, der schon mal 80 EUR oder mehr für ein 75 Minuten Konzert seiner Lieblingsband hingelegt hat, weiß zu schätzen was die Musiker hier leisten, die sich ihr „Tip“ auch teils dadurch aufbessern, dass sie Songs spontan auf Zuruf des (zahlenden) Publikum spielen. So erinnere ich mich beispielsweise an eine dreiköpfige Band an einem der vielen Abende, die wir im „District“ verbrachten, die just an diesem Tag zum ersten Mal in dieser Zusammenstellung spielte. Jemand wünschte sich für 10 „Bucks“ (Dollar) „Turn the Page“ von Bob Seger, der Sänger entgegnete trocken: „Cool, I’ve never sung this song before“ und mit Blick auf seine Bandmitglieder, die an diesem Abend zum ersten Mal mit ihm spielten: „And they didn’t even play it with me.“ Sprachs, holte sein I-Phone raus und sang/spielte den Song vom Blatt (bzw. Display), als hätte er nie etwas anderes gesungen. Phänomenal!

Ich könnte jetzt hier noch ewig so weiterschwärmen über die Abende und vielen Stunden, die wir am „Broadway“ verbrachten, aber es war keineswegs so, dass wir uns in der Woche nur in Musik Clubs rumtrieben. Nashville hat noch so viel mehr zu bieten, schließlich ist es die Hauptstadt des Bundesstaats Tennessee und dementsprechend begegnet man hier amerikanischer Geschichte (und ich meine  nicht nur „Musikgeschichte“) auf Schritt und Tritt.  Was es sonst noch so in „Music City“ zu sehen gab, das erzähle ich wohl am besten in einem zweiten Teil, denn ich merke gerade, dieser Beitrag ist schon wieder recht lang geraten. Deshalb möchte ich erst einmal schließen, nicht ohne Euch noch was mit auf „die Ohren“ zu geben. Bei meiner Entdeckungsreise in das Land der Country Music bin ich besonders bei einem Künstler mit einer unverwechselbaren Stimme hängengeblieben: Chris Stapleton aus Kentucky, der mit 23 Jahren nach Nashville ging, um seine Karriere als Countrymusiker zu starten. Und welcher Titel würde hier im Blog und Abschluß dieses Beitrags besser passen als „Traveller“.

Wir lesen und hören uns!

Paßt auf Euch auf, wo immer Ihr seid!

Rüdiger

 

 

 

…wieder zurück!

Ich gebe zu, ich war ja lange nicht mehr hier.

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Also ich vor rund zwei Jahren durch Kanada und die USA reiste (welch utopische Vorstellung aus heutiger Sicht) hatte ich meine Leserschaft ja noch regelmäßig mit allerlei Eindrücken von jenseits des großen Teichs versorgt und u.a. aus Vancouver, Toronto, Boston und Bangor in Maine berichtet.

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In den letzten Wochen meiner 3monatigen Reise, die mich damals noch u.a. nach Nashville, North Carolina, Charleston, New York City und Oslo führte,  hatte ich mich dann allerdings schon ziemlich rar gemacht hier auf diesen Seiten: Zu viele Eindrücke auf eimal, zu wenig Zeit zum Schreiben….und dann war auch das Sabbatical (zumindest der erste Teil meiner 5monatigen Auszeit) schon wieder rum, der Alltag hat einen schnell wieder und die Zeit zum Schreiben wurde erst recht knapp. Dabei gibt es eigentlich immer noch so viel zu erzählen.

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Warum ich jetzt wieder damit anfange? Gute Frage! Auslöser war sicher u.a. der Umstand, dass mich „facebook“ in einer „Erinnerung“ auf einen meiner Blogbeiträge von vor zwei Jahren verwies. Neugierig geworden, habe ich dann mit Interesse gelesen, was ich da eigentlich 2018 so alles in die Tasten gehauen habe. Und schnell wuchs die Erkenntnis und der Wunsch in mir, einfach wieder damit anzufangen bzw. da weiterzumachen, wo ich im Sommer 2018 aufgehört hatte.

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Nun haben sich die Zeiten, gerade in den vergangenen Monaten wahrlich geändert. Schaut man heute in den Nachrichten auf die USA, erscheint mir meine ganze Reise im Rückblick irgendwie surreal oder wie in einer Parallelwelt erlebt. Etwas Vergleichbares werde ich sicherlich nicht wieder so schnell in naher Zukunft verwirklichen können. Umso mehr liegt mir daran, meine Erinnerungen festzuhalten und diese auch mit meiner geneigten Leserschaft zu teilen.

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Photo by Josh Hild on Pexels.com

Letztendlich ist es auch einfach so, dass ich wieder große Lust verspüre, zu schreiben, über mein Sabbatical (was ja diesem Blog auch den Namen gab) aber auch über viele sonstige Dinge, die in der Zwischenzeit passiert sind oder in meinem Kopf rumschwirren. Wer mich ein bißchen auf facebook verfolgt hat, wird sicher schon gemerkt haben, dass „Wandern“ weiterhin meine große Leidenschaft ist und hier habe ich Gelegenheit, in den kommenden Wochen einmal ausführlicher auf die ein oder andere Tour einzugehen.

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Photo by Markus Winkler on Pexels.com

Vor allem habe ich mir vorgenommen, wieder regelmäßiger zu schreiben. Wer Lust hat, das ganze Zeug zu lesen, ist herzlich willkommen, hier immer mal wieder vorbeiszuschauen und gerne auch den ein oder anderen Kommentar dazulassen.

Für heute belasse ich es mal bei dieser Ankündigung, aber schon in den kommenden Tagen werde ich meinen Reisebericht von 2018 weiter komplettieren. Über unsere Woche in „Nashville“, Tennessee habe ich bisher ja noch gar nichts geschrieben. Wird jezt aber höchste Zeit. Also..freue mich darauf, „wieder zurück“ zu sein!

Wir lesen uns!

Eine gute Zeit und bleibt gesund!

Rüdiger

 

Strike, Homerun, Flyout – Ein Deutscher beim American Baseball

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So, das war also mein erstes Mal!….

Moment, bevor jetzt hier Missverständnisse aufkommen ob des Inhalts dieses Beitrags: Ich rede hier von meinem ersten Besuch eines Baseball-Matches in den USA. Und damit herzlich willkommen zurück, liebe Leserschaft auf meinem kleinen Reiseblog. Schön, dass Ihr wieder dabei seid!

Nach rund 1 1/2 Monaten ging unser Trip durch Kanada zu Ende und wir flogen von Toronto aus nach Boston, der ersten Station unserer geplanten Tour durch die USA. Boston ist eine großartige Stadt, die man wunderbar zu Fuß erkunden kann. (Hier empfehle ich allen „Boston-Neulingen“ zunächst den „Freedom-Trail“ per pedes zu erkunden, er führt einen an sehenswerte Orte und bietet so manche interessante Einblicke in die Geschichte Bostons, weitere Infos findet ihr hier:  https://freetoursbyfoot.com/the-freedom-trail/)

Und Boston ist auch die Heimat der „Red Sox“, jener legendären Baseball-Mannschaft, von der fast jeder auch als Nicht-Amerikaner schon einmal gehört haben wird, sind die „Red Sox“ doch tief verwurzelt in der US-amerikanischen (Pop)Kultur und finden oft auch Erwähnung oder spielen eine Rolle in Kinofilmen und literarischen Werken. So hat sich beispielsweise der US-Autor Stephen King (auf den ich demnächst auch noch in meinem Blog zu sprechen kommen werde) schon lange als beinharter „Red Sox“ Fan geoutet und gemeinsam mit Stewart O’Nan ein Buch über die „historische“ Saison 2004 veröffentlicht.

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Nun war ich -in Boston angekommen- wild entschlossen, ein Match der „Red Sox“ zu besuchen und mir American Baseball live anzuschauen. Schließlich bin ich ja auch unterwegs, um fremde Völker und Kulturen kennenzulernen. :-). Da gab es nur ein kleines Problem, außer dem Namen (und dass Stephen King ein „Diehard Fan“ ist) wusste ich über die „Red Sox“ so gut wie gar nichts und dann gab es da noch die Regeln im American Baseball, die mir bis dahin wie das berühmte Buch mit den sieben Siegeln erschienen. Aber für genau solche Fälle wurde ja das Internet erfunden und da ich noch etwas Zeit hatte, vertiefte ich mich digital in die Geschichte der Red Sox und versuchte zudem noch, in den Weiten des World Wide Web eine Erklärung der Baseballregeln für Dummies zu finden. Schnell merkte ich: Da habe ich mir ganz schön was vorgenommen. Googelt man „Baseball Regeln“ erhält man 944.000 Treffer, macht man das ganze auf Englisch mit „Baseball Rules“ erhöht sich die Anzahl auf 394 Millionen (!!!) Treffer. Na toll :-). Das nachfolgende Bild veranschaulicht ganz gut, womit ich mich dann alles so beschäftigen musste:

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Sieht doch ganz einfach aus, oder?

Nun, um es kurz machen, ich glaube, dass ich zumindest die Grundregeln dann doch noch einigermaßen mit meinem mir verbliebenen Gehirnzellen erfasst habe. Ich hatte vorher ja schon mal ab und zu im TV in ein Baseballspiel reingezappt und so gut wie nix verstanden. Wie oft darf der eine Kerl da eigentlich den Ball werfen? Warum haut der mit dem Schläger manchmal den Ball weg und manchmal reagiert er gar nicht? Warum hockt da immer noch einer hinten? Was stehen die da alle so rum? Und warum laufen jetzt plötzlich alle so hektisch los? Und warum jubeln die Zuschauer immer so ekstatisch, wenn man jemand einen Ball aus der Luft fängt? All das konnte ich mir dann nach intensivem Onlinestudium so einigermaßen erklären, besonders geholfen hat mir auch das folgende Video, das ich jedem empfehle, der -wie ich- mal völlig ahnungslos an die Sache herangehen möchte:

Natürlich blieben da noch einige Lücken und offene Fragen. Aber da hoffte ich einfach, diese direkt beim Livespiel zu klären.

Dann noch ein Blick auf die „Red Sox“, schließlich wollte ich auch da nicht gänzlich ungebildet ins Stadion gehen. Beschäftigt sich man ein wenig mit der Geschichte der „Red Sox“, versteht man schnell, dass der Mythos vor allem auf Erfolge begründet ist, die mehr als 100 Jahr zurückliegen: In den Jahren zwischen 1903 und 1918 gewann man insgesamt 5 mal die sogenannte „World Series“, so eine Art Champions League des Baseball (komme ich gleich nochmal drauf zu sprechen). Nach dieser Serie dauerte es geschlagene 86 Jahre bis zur Saison 2004, die den „Red Sox“ einen erneuten Sieg der „World Series“ bescherte nach einem wahnwitzigen Verlauf der Endspiele (hierauf basiert ja auch Stephen Kings Buch). 2007 konnte man diesen Erfolg noch einmal wiederholen, aber seitdem konnte 2013 lediglich der Titel in der „American League“ geholt werden.

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Jetzt fragen sich sicherlich einige: „American League“? „World Series“?? Wovon redet der Kerl da eigentlich? :-).

Im American Baseball gibt es -anders als beispielsweise im deutschen Fußball- nicht eine „Bundesliga“, sondern zwei parallel betriebene Profiligen: Die „American League (AL)“ und die „National League (NL)“.  Am Ende einer Saison spielen die Sieger der AL und der NL um die „World Series“. Übertragen auf den deutschen Fußball müsste man sich vorstellen, dass es zwei gleichberechtigte 1. Bundesligen gäbe und zum Beispiel Bayern München in der einen und Borussia Dortmund in der anderen spielen würde, so dass diese Team erst in einem möglichen „Best of Seven-Finale“ aufeinanderträfen. Unfassbar!

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Auch ansonsten unterscheidet sich der Verlauf einer Saison im American Baseball erheblich von einer Spielzeit im deutschen Fußball. Absolvieren Mannschaften wie Bayern München oder der BVB in einem Jahr rund 50 – 55 Pflichtspiele (wenn man Bundesliga, DFB-Pokal und CL berücksichtigt), beträgt allein die Anzahl der Partien in der regulären Baseball-Saison mehr als das Dreifache: nämlich 162 Spiele!! D.h., ein Profi-Baseballspieler steht im Laufe eines Jahres im Schnitt rund jeden 2. Tag auf dem Platz. Was für eine Leistung und Belastung! In der Regel werden mehrere Partien zwischen den gleichen Teams an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen gespielt, gerade auch im Hinblick auf die aufwändigen Reisen, die die Team in einem so großen Land wie die USA auf sich nehmen müssen. So kam es auch, dass ich bei meinem gerade mal 3tägigen Aufenthalt in Boston keine Schwierigkeiten hatte, ein Spiel der „Red Sox“ zu sehen, denn sie spielten zu diesem Zeitpunkt 4 Mal in Folge im heimischen „Fenway Stadium“ gegen die Texas Rangers. Ein Ticket war schnell online gebucht, mittlere Preiskategorie, mit rund 40 US$ aber auch ein ganz schöner Batzen (anderseits, wenn man sich anschaut, was man in der Fußballbundesliga so an Ticketpreisen bezahlt…). Für mich würde es ja auch nur die eine Partie sein, bedenkt man aber, wie viele Heimspiele so ein Team pro Jahr hat, muss der eingefleischte Baseball-Fan schon richtig Schotter auf den Tisch legen, um seine Mannschaft auch regelmäßig im Stadion live zu sehen. REd sx

Und so machte ich mich an einem Dienstag früh am Abend auf ins legendäre „Fenway Stadium“, der Spielstätte der „Red Sox“, wo für 19.10 Uhr die Partie gegen die Texas Ranger angesetzt war. Die Dauer einer einzelnen Baseball-Partie ist übrigens nicht von vorneherein festgelegt, hier gilt nicht: „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ (zugegeben, das gilt im Fußball auch schon lange nicht mehr, seit in der 89. Minute immer diese LED-Tafeln hochgehalten werden), eine Baseball-Partie wird in 9 sogenannten „Innings“ absolviert, in denen jeweils jede der beiden Mannschaften einmal das „Angriffsrecht“ hat. Dieses Recht wechselt im Inning, sobald drei „Batter“ (das sind die mit dem Schläger) „out“ sind. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie „Strike Out, „Fly Out“ oder auch „Ground Out“ und viele andere mehr…. aber ich schweife ab, die Baseballregeln hier weiterzuverfolgen würde das ganze Format sprengen :-). Wer Interesse an mehr Details hat, kann ja gerne hier weiterlesen:

https://www.foxsports.com/mlb/gallery/types-of-baseball-outs-ranked-mlb-flyout-caught-stealing-strike-base-042517

Jedenfalls können Baseball-Partien, gerade bei gleich starken Teams, sehr, sehr lange dauern, angeblich gab es schon welche, die gingen über mehr als 14 Stunden…Schluck! In den meisten Fällen aber ist die durchschnittliche Dauer mit der von Eishockeyspielen zu vergleichen, so um die 2 1/2 Stunden, manchmal auch etwas länger. Um es vorwegzunehmen: Bei der Partie, die ich besuchte, blieb man unter drei Stunden, so dass ich noch bequem die Bahn in den Vorort von Boston erreichen konnte, wo wir für ein paar Tage ein Zimmer gemietet hatten. Es war auch wirklich von Vorteil, dass ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln – und nicht mit dem Auto- zum Spiel anreiste, denn je näher man ans Stadion, desto höher wurden die Parkgebühren.

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Das war rund 1 km vom Stadion entfernt!

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Rund 500 m weiter wurde es schon deutlich teurer.

Ich rechnete mal kurz nach: Eine amerikanische Durchschnittsfamilie, 2 Erwachsene, 2 Kinder, die sich einen Baseball-Abend live vor Ort gönnen, dabei mit dem Auto anreisen, Parkgebühren zahlen und sich noch im Stadium mit den üblichen Speisen und Getränken versorgen, kommt da schnell locker auf 250 US$ und mehr, ein ganz schön teures Vergnügen! Trotzdem merkte ich -je näher ich ans Stadion kam- dass es auch an diesem Abend mitten in der Woche richtig voll werden würde im Fenway Stadium. Ist man erstmal durch die Eingangskontrolle, die auch am Flughafen nicht strenger sein könnte, befindet man sich sozusagen auf der Fanmeile vor dem Stadion und hier herrscht schon lange vor dem Beginn der Partei eine Art Volksfeststimmung:

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Ein riesiger Landen mit Fan-Artikeln und Merchandise sorgt derweil für reichlich zusätzlichen Umsatz in der Kasse der „Red Sox“. Ja, für die Damen gibt es hier sogar eine eigene Abteilung:

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Bevor nun der geneigte Baseball-Fan sich zu seinem Platz auf die Tribüne begibt, steht noch die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln an: French Fries (oder wie wir sagen: Pommes!), Cheeseburger, Peanuts, Cracker und andere Leckereien. Was ich bemerkenswert fand: Hier waren jeweils die Kalorien angegeben! Das mag in den USA so gesetzlich vorgeschrieben sein, wirkte aber anscheinend auf den größten Teil der Zuschauer nicht abschreckend, die sich reichlich beladen zu ihren Plätzen begaben. Ich holte mir übrigens noch ein Bier (soweit man Bud Light als Bier bezeichnen kann) und musste an der Theke doch tatsächlich meinen Führerschein vorzeigen, um zu beweisen, dass ich über 21 bin. Ha Ha Ha! Dieses Land ist manchmal schon so richtig schön bekloppt! 🙂

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Nun saß ich aber endlich an meinem Platz und musste feststellen: Oh, da ist ja eine Säule im Weg. Aber im großen und ganzen ließ sich dann das Spielfeld doch überblicken; bei manchen Bällen später in der Partie musste ich dann halt meine Sitzposition immer blitzschnell um einige cm verlagern, um alles mitzubekommen. Auch eine Art von Workout:

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Die Partei begann pünktlich (natürlich nach Abspielen der Nationalhymne) und ich war sehr konzentriert als Zuschauer bei der Sache und versuchte das Geschehen auf dem Rasen mit dem in den letzten Tagen gelernten Dingen in Einklang zu bringen. Das gelang auch einigermaßen, wenn ich auch nicht jede Entscheidung der Schiedsrichter nachvollziehen konnte. Ansonsten passierte eigentlich nicht viel: Auf dem Spielfeld machten beiden Mannschaften einen „Batter“ nach dem anderen „out“, kein Team erzielte einen Punkt bis zum dritten Inning und die Stimmung im jetzt voll besetzten Fenway Stadium war so ganz anders als man es beispielsweise bei uns im Fußball kennt: Keine großen Sprechchöre, keine Gesänge, keine Anfeuerungsrufe. Kurzer Applaus, wenn ein Spieler der gegnerischen Mannschaft „out“ gemacht wurde, das wars dann schon. Ansonsten herrschte eine mächtige Geräuschkulisse vor, wie sie halt entsteht, wenn sich halt rund 16.000 Menschen untereinander unterhalten. Denn das taten die meisten um mich herum, man traf sich mit Freunden und Familie, hielt ein „Schwätzchen“, stand auf, holte noch was zu essen, spielte auf dem Smartphone rum – teilweise hatte ich das Gefühl, ich wäre der einzige Zuschauer im Stadion, der sich ausschließlich aufs Spiel konzentrierte.

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Und so fingen dann irgendwann im 3. Inning meine Gedanken an, abzuschweifen. Ich begann mich umzusehen, machte dabei die oben geschilderten Beobachtungen und -ZACK- verpasste ich den ersten Homerun des Abends, der den Gästen aus Texas den ersten Punkt bescherte. Einmal nicht hingeguckt und den bisher wichtigsten Spielzug des Abends verpasst. Offenbar hatte ich mich bei den anderen Zuschauern aber geirrt, denn die waren multitaskingfähig und bekamen trotz Klönen mit den Nachbarn oder/und gleichzeitiger Nahrungsaufnahme mit, dass ihr Team gerade in Rückstand geriet. Da merkte ich, dass ich als Baseball-Zuschauer noch viel zu lernen hatte.

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Ich befahl mir selbst insgeheim, besser aufzupassen und so bekam ich dann auch mit, dass die „Red Sox“ in der Folgezeit zurückschlugen und mit ein paar richtig guten Spielzügen in Führung gingen, was zu plötzlichen Jubelstürmen im bisher so zurückhaltenden Lager der Sox-Fans sorgte. Auch mein direkt Sitznachbar, ein älter Herr und erkennbar zugehörig zu einer Drei-Generationen-Zuschauertruppe (Großvater/Vater/Sohn) brüllte und klatschte kräftig mit und beäugte mich sodann mißtrauisch, da ich so gar nicht in die allgemeine Begeisterung einstimmte, sondern vielmehr weiter konzentriert aufs Spielfeld schaute, um zu verstehen, was da gerade alles passierte. Er beugte sich zu mir rüber: „Are you from Texas?“ Oh, er befürchtete wohl, er säße neben einem Fan der Auswärtsmannschaft, der nun versuchen würde, hier die gute Stimmung kaputtzumachen. Ich beeilte mich, das Mißverständnis aufzuklären: „No, I’m from Germany. This is my first Baseball match ever!“  Von da an hatte ich neue Freunde gewonnen. Als der Mittlere der Drei-Generationen-Truppe, ein junger Vater mitbekam, dass ich aus Deutschland kam, entspann sich sogleich ein Gespräch über Fußball:

„Are you fan from Bayern Munich?“

„No, I prefer Dortmund!“

„Oh Dortmund! Great Team! They have Pulisic!“

Da wurde mir klar, dass der US-Amerikaner wohl mehr über Deutschen Fußball wusste als der durchschnittliche Deutsche über American Baseball. Oder kann mir jemand einen Spieler der „Red Sox“ namentlich benennen? (ohne zu Googlen!!)

Mein direkter Sitznachbar, der ältere Herr, war mir in den kommenden 1 1/2 Stunden des Matches zudem eine große Hilfe, da er mir immer, wenn ich was nicht verstanden hatte, was da gerade auf dem Spielfeld ablief („Why isn’t the batter out?“ That was not a Homerun?“ etc) mit entsprechender Regelkunde zur Seite stand. Ich erfuhr zudem noch allerhand aus der Geschichte der „Red Sox“, wer wann welche legendären „Home Runs“ geschlagen hat (nicht, dass ich da was von behalten hätte.) Baseball ist – das merkte ich an diesem Abend- auch ein Sport, der stark von der Vergangenheit und von der Statistik lebt. Um hier wirklich fit zu werden, bräuchte ich noch ein paar Jahre.

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Aber im Stadion verhielt ich mich schon wie ein richtiger Baseball-Fan. Ich unterhielt mich blendend und ausführlich mit meinen Sitznachbarn, ich trank mein Bierchen, kostete von den angebotenen Erdnüssen und hatte doch stets das Spiel im Blick, das die „Red Sox“ am Ende, wie auch an den drei Abenden zuvor, sicher nach Hause brachten.

Nachdem ich mich von meinen neuen amerikanischen Freunden verabschiedet hatte und auf dem Weg nach Hause war, dachte ich nochmal über das Phänomen Baseball nach. Ja, so ein Spiel hat Längen (das hat Fußball aber auch), es passiert oft über eine längere Zeit nichts wirklich Spielentscheidendes (auch eine Parallele zum Fußball), es kann aber jederzeit und sehr schnell sehr spannend werden und zu spektakulären Aktionen kommen. Und das macht sicher die Faszination dieses Sports aus.

Was mich aber erschlägt, ist die schiere Masse an Zeit, die bei diesem Sport auch für den echten Fan draufgeht. Es wird fast täglich gespielt, jeweils dauert es rund 2 – 3 Stunden, das ist schon ganz schön happig. Aber nun bin ich ja auch kein US-Amerikaner, lebe auch nicht ständig in den USA und so blieb dieser Besuch (zunächst) eine einmalige Sache, die mir die Gelegenheit gab, einen schönen Einblick in die vielleicht amerikanischste aller Sportarten zu werfen.

Sich dauernd für Baseball zu interessieren und Matches zu schauen, dafür wird mir die Zeit fehlen. Zu viele andere Dinge gibt es auf dieser Reise noch zu entdecken. Und außerdem sind da noch die 38 Saisonspiele „meines“ KFC Uerdingen in der 3. Liga. Die müssen ja auch noch geguckt werden.

Also liebe „Red Sox“, es war sehr schön mit Euch und ich werde den weiteren Verlauf der Saison sicher noch hier und da via Internet verfolgen. Sollten die Sox in diesem Jahr wieder um die „World Series“ spielen, schaue ich bestimmt auch nochmal rein. Versprochen!

Das war es für heute von mir. Ich hoffe, Euch hat dieser kleine Ausflug in den „American Baseball“ gefallen.

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Wir lesen uns!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wasser marsch! – Ein Besuch bei den Niagarafällen in Kanada

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Hallo liebe Freundinnen und Freunde des gepflegten Reiseblogs und herzlich willkommen zurück auf meiner Seite!

Noch immer befinden wir uns in Kanada. Nach unserer fünftägigen Zugfahrt mit dem „Canadian“ quer durchs Land sind wir nun in Toronto angelangt. Eine ganze Woche haben wir für unseren Aufenthalt in Kanadas einwohnerstärkster Stadt veranschlagt, so dass uns auch ausreichend Zeit bleibt für einen Tagesausflug außerhalb der City. Denn von Toronto aus geht es in rund 2 Stunden zu einem der berühmtesten Touristenziele der Welt: Die Niagarafälle, in diesem Fall natürlich von der kanadischen Seite aus betrachtet, was -wie Kenner vermerken- die bessere Perspektive bietet im Gegensatz zu einem Aufenthalt auf der US-Seite.

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Für alle, die in der Schule im Erdkundeunterricht nicht so richtig aufgepaßt haben (wie ich zum Beispiel), hier noch einmal eine geographische Einordnung in aller Kürze:

Die Niagarafälle entstehen -wie der Name schon vermuten läßt- aus dem Fluß Niagara River, der den Eriesee mit dem Ontariosee verbindet. (Gleichzeitig dient der Niagara River als Grenzfluss zwischen Kanada und den USA.) An den Fällen stürzen dann die Wassermassen des Niagara River bis zu 57m in die Tiefe. Das Ganze geschieht an drei Stellen, zwei Mal rein auf der US-amerikanischen Seite mit den „American Falls“ und den kleineren „Bridal Veil Falls“, sowie ein dritter Fall, durch den sich die Grenze zwischen den Anrainerstaaten zieht: Die „Horseshoe Falls“ als weitaus größter und tiefster Wasserfall. Alle drei zusammen ergeben die berühmten „Niagara-Fälle“ und gehören auf beiden Seiten -USA und Kanada- zu den größten und meistbesuchten Touristenattraktionen im Land.

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Wenn man sich nun entschließt, von Toronto aus einen Tagesausflug zu den Niagarafällen zu unternehmen, wird man zunächst einmal von der Vielzahl der Angebote, die dem geneigten Besucher hier zur Verfügung stehen, schier erschlagen. Von der all-inclusive Busreise bis hin zur integrierten Weinprobe ist alles dabei. Dazu kommen noch die diversen Möglichkeiten, die vor Ort bei den Falls angeboten werden (ich komme noch darauf zurück) und in daumendicken Broschüren aufgeführt sind, die an vielen Stellen in Toronto ausliegen. Was also tun? Ganz einfach: Die Profis fragen! Das haben wir dann auch gemacht und sind schnurstracks zum „Tourist Information Centre“ Stadt Toronto in die Union Station gegangen.

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Dort konnte uns auch eine freundliche Dame wunderbar weiterhelfen. Denn es war gar nicht nötig, sich mit all den überteuerten Angeboten privater Reiseunternehmen zu beschäftigen: Für die Reise von Toronto zu den Niagarafällen bedurfte es nur eines einfachen Bustickets zum Preis von 40 Can$ (rund 30 Euro) für die Hin- und Rückfahrt. Denn der Zugang zu den Niagarafällen als Naturdenkmal ist frei, kostet keinen Eintritt und kann von allen, die vor Ort sind, frei genutzt werden. Daher schon „witzig“, dass die privaten Anbieter teilweise auf ihre Flyer schrieben, dass der „Zugang zu den Niagarafällen“ im „Reisepreis enthalten“ sei.

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Also einfach online gebucht und schon ging es 2 Tage später vom zentralen Busbahnhof in Toronto Richtung Niagarafälle. Nach 2 Stunden kamen wir an unser Ziel, besser gesagt an der Endstation der Busfahrt an, die sich allerdings nicht als „Niagarafälle“ entpuppte, sondern vielmehr als eine ziemlich verlassene Gegend im Nirgendwo, mit einer kleinen Busstation und einigen -wohl schon länger nicht mehr genutzten- Gebäuden drumherum. Das hier sollte die weltberühmten Niagarafälle sein?

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Unser freundlicher Busfahrer klärte uns auf, dass dies hier die allgemeine Anlaufstelle für alle Busfahrten wäre. Von hier aus hätte man die Möglichkeit mit dem Taxi oder den Shuttlebussen vor Ort weiterzureisen, entweder zu den Fällen oder auch zur kleinen Stadt Niagara-on-the-Lake in die andere Richtung. Man könnte natürlich auch, so unser Busfahrer weiter, sich zu Fuß aufmachen zu den Fällen, das würde so rund 45 Minuten dauern – für Ungeübte…..Er hätte die Strecke schon in 15 Minuten geschafft….

Da wir schon rund 2 Stunden gesessen hatten, entschlossen wir uns für die „Zu Fuß“ Variante; die Distanz zu den Fällen schien uns als geübte Wanderer nicht allzu weit. Was wir nicht bedacht hatten, waren die Temperaturen. Bei knalligen Sonnenschein zeigte unser kleines Ahorn-Thermometer auf der Strecke schon bald Werte um die 38 Grad an.

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Gut durchgeschwitzt und leicht angeröstet kamen wir nach rund 45 (nicht 15!) Minuten so langsam in die Nähe der Fälle. Auf dem Weg dorthin bot sich schon so mancher Ausblick auf den River Niagara und auf die dem Fluß gegenüberliegende USA, die durch mehrere Brücken über den Niagara mit Kanada verbunden ist.

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Und dann endlich ein erster Blick auf die Niagarafälle (hier die „American Falls“ auf Seiten der USA):

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Aber noch war ein gutes Stück zu laufen, bis wir auch die großen „Horseshoe Falls“ von der kanadischen Seite aus in all ihrer Pracht bewundern konnten.

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Nun ist der Zugang und der Blick auf die Fälle zwar frei, wie wir ja bereits wußten und jetzt auch erfahren konnten, aber natürlich hat sich rund um die Niagarafälle sowohl auf kanadischer als auch US-amerikanischer eine riesige Tourismus-Infrastruktur entwickelt, die Jahr für Jahr für die vielen Millionen Besucher ein umfassendes Angebot bereithält, die Fälle auf ganz besondere Weise zu erfahren (natürlich gegen „harte Dollar“). Man kann mit dem Helikopter die Niagara-Fälle überfliegen, mit einer Seilrutsche auf der kanadischen Seite Richtung „Horseshoe Falls“ sausen oder sich mit dem Boot auf dem Niagara River direkt in die unmittelbare Nähe der Fälle begeben.

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Will man all diese „Attraktionen“ aktiv wahrnehmen, braucht man neben dem nötigen Kleingeld vor allem eines: Geduld. Denn überall bilden sich lange Schlangen, das machte an einem solchen heißen und sonnigen Tag nicht wirklich Spaß.

Wir entschieden uns zunächst, noch ein wenig weiter zu laufen auf der kanadischen Seite, an der Kante der „Horseshoe Falls“ vorbei so dass wir sehen konnten, wo die ganzen Wassermassen herkamen, die dann 57 m in die Tiefe stürzten.

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Wir hatten uns dann für eine „Journey behind the Falls“ entschieden. Diese „Reise“ ermöglicht es den Besuchern einerseits, durch eine eigens hierfür aufgebohrte Öffnung von hinten auf die Fälle zu schauen und andererseits in die unmittelbare Nähe der herabstürzenden Wassermassen zu kommen. Ein wenig Wartezeit mussten wir auch hier in Kauf nehmen, aber schon bald waren wir in Besitz der gelben Plastikumhänge, die alle Besucher „behind the Falls“ anzuziehen haben.

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Derart ausgerüstet ging es nun endlich los. Um es vorwegzunehmen, der Blick „von hinten“ auf die Fälle lohnt sich nicht wirklich. Es ist wirklich nur eine Öffnung im Felsen und davor sieht man Wasser herunterrauschen. Hierfür auch noch längere Zeit anzustehen, ist eigentlich verschenkt

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Was sich dann aber wirklich lohnte, war ein weiterer Weg, der uns direkt an die runterstürzenden Wassermassen der „Horseshoe Falls“ führte. Jetzt kamen auch die gelben Schutzumhänge zur Geltung, denn die Gischt machte einen so richtig nass. Dazu der Ausblick und die unmittelbare Nähe zu der Gewalt der Wassermassen: Atemberaubend!

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Als Brillenträger bräuchte man hier eigentlich Scheibenwischer! 🙂

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Diese unmittelbare Nähe zu den Niagara Fällen wird mir unvergesslich bleiben und ich kann nur jedem Besucher empfehlen, diese „Journey behind the Falls“ zu buchen. Aber geht nicht zum Loch in der Wand, geht direkt raus zu den Fällen und lasst Euch nassmachen! 🙂

Später erfuhren wir im Besucherzentrum noch einige interessante Details zu den Niagarafällen. So existiert zwischen den USA und Kanada ein Vereinbarung seit 1950 , dass in der Touristensaison maximal 50% der Wassermassen des Niagara Rivers zu Kraftwerken umgeleitet werden dürfen, außerhalb der Saison und nachts dürfen es bis zu 75% sein. Man kann also die Niagara-Fälle auf- und zudrehen fast wie einen Wasserhahn! Krass! 1969 legten die US-Amerikaner ihre Seite sogar mal komplett für 6 Monate trocken, um geologische Untersuchungen durchzuführen.

Es gab auch immer wieder Versuche von mutigen, todessehnsüchtigen oder einfach verrückten Menschen, die Niagarafälle hinunterzustürzen. Meistens endeten diese Versuche tödlich; erst 2003 gelang es dem US-Amerikaner Kirk Jones nachweislich als erster Mensch, einen Sturz die Niagarafälle hinunter ohne jegliche Hilfs- und Schutzmittel zu überleben (lediglich zwei Rippenbrüche). Seine Motivation: Er suchte einen Job. Na, ob da dieser Stunt die geeignete Maßnahme war, sei mal dahingestellt.

Sich die Niagara Fälle hinunter zu stürzen, steht übrigens in Kanada unter Strafe. Nicht zuletzt daher haben wir dann davon Abstand genommen, man will ja nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen 🙂

Wir haben lieber noch ein wenig die Aussicht auf die Fälle genossen, bevor es wieder mit dem Bus nach Toronto ging.

Als wir dann gegen 21 Uhr in der Dunkelheit in der kanadischen Metropole ankamen, empfing uns ein wolkenbruchartiger Regen von derartigen Ausmaßen, dass man meinen könnte, die Niagara Fälle hätten uns bisher verfolgt und wollten uns noch eine Abkühlung bescheren nach diesem sehr heißen, aber auch schönen Tag.

Wir lesen uns!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Happy Canada Day! – Patriotismus auf die entspannte Art

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Als wir unsere Zugfahrt quer durch Kanada beendet hatten und in Toronto Union Station aus dem Zug stiegen, war es mittlerweile Sonntag, der 01. Juli 2018. (Laut Fahrplan hätte es der 30. Juni sein sollen.) Wir kamen also in Kanadas größter Stadt exakt am größten kanadischen Feiertag an: Dem 151. Canada Day! Sozusagen der Geburtstag der Nation!

Schon bei den Stops auf unserer Fahrt wurden wir auf dieses Ereignis hingewiesen, wie beispielsweise in Cedar Point, das im Gegensatz zu Toronto nur aus einer Handvoll Häuser besteht.

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Aber egal, ob Provinz oder Metropole, die Kanadier feiern „ihren Tag“ ausgelassen und ausdauernd. Das Datum des Feiertags orientiert sich an dem sogenannten „British North America Act“, der am 01. Juli 1867 in Kraft trat und das „Dominion of Canada“ festlegte, dem die Provinzen Ontario, Québec, Nova Scotia und New Brunswick angehörten.  (Weitere Provinzen wie beispielsweise British Columbia und Alberta, die Teil des heutigen Kanadas sind, kamen später hinzu.)

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Konferenz der kanadischen „Gründungsväter“ in Quebec 1864

Uns empfing der „Canada Day“ in Toronto als lautes, fröhliches und unbeschwertes Spektakel. Anders als beim 3. Oktober in Deutschland, der oft von bleischweren Reden und Zeremonien begleitet ist und kaum „Feierlaune“ verbreitet, spürte man hier in Toronto eine Atmosphäre, wie man sie als Deutscher am ehesten noch 2006 bei der Fußball WM im eigenen Land erleben konnte.

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Kaum ein Bewohner Torontos, der nicht in irgendeiner Art mit den Landesfarben und dem typischen Ahornblatt „geschmückt“ war. T-Shirts, Hüte, Fahnen, hier wurden alle Register gezogen und so mancher kanadische Zeitgenosse bewies wahre Kreativität:

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Da wird auch Marvels „Captain America“ schon mal zu „Captain Canada“

Natürlich wird auch hier Patriotismus zur Schau gestellt, aber irgendwie auf eine lässige, witzige und auch selbstironische Weise, ohne den aggressiven „America First“ Unterton, wie man ihn in den USA finden kann. Und was sehr auffällt, niemand wird ausgegrenzt. Gerade das, was Patriotismus schnell und gefährlich in den Nationalismus oder schlimmeres abdriften läßt, die bewußte Herabsetzung und Diskriminierung von Minderheiten und vermeintlich „nicht Dazugehörigen“, all das sucht man in Kanada vergeblich. Denn dieses Land, das gerne auch seinen Feiertag auf ein ganzes langes Wochenende ausdehnt, versteht sich als „One Land – Many Nations“.

bannerFinal Woran mag es liegen, dass die Kanadier mit ihrem ureigenen Nationalfeiertag so viel unbeschwerter umgehen können als wir Deutschen? Natürlich wiegt unsere Vergangenheit immer noch schwer, Patriotismus in unserem Land ist keine einfache Sache. Wird vom eher linken Spektrum der Politik schnell vor allzu großer Deutschtümelei gewarnt, wenn nur ein paar schwarz-rot-goldene Flaggen wehen. (siehe zum Beispiel: www.spiegel.de/politik/deutschland/fussball-wm-claudia-roth-fordert-deutsche-fans-zur-zurueckhaltung-auf-a-1213401.html ), wird die „Liebe zum Land“ auf der rechten Seite schnell zum Hass gegen alles vermeintlich „Nichtdeutsche“ umfunktioniert. (https://www.n-tv.de/sport/fussball_wm_2018/Weidel-wettert-gegen-Ozil-und-Guendogan-article20477555.html). Rein und unverfälscht einfach seine Freude auszudrücken über das eigentlich wunderbare Land, in dem wir leben, fällt auch heute, rund 28 Jahre nach der „Wiedervereinigung“ anscheinend immer noch schwer.

Und so blickt man sich als Deutscher in Toronto am 1. Juli staunend um, mit welchem Elan Kanadier ihren Nationalstolz zelebrieren, ohne dabei auch nur einen Moment überheblich, unangenehm oder ausgrenzend zu wirken.

Natürlich hat auch die Geschichte Kanadas dunkle Flecken. Man denke nur an die großflächige Ausrottung der Ureinwohner durch von Europäern eingeschleppte Krankheiten wie die Pocken (teilweise noch vor der offiziellen Staatsgründung). Wirft man aber einen Blick auf das heutige Kanada, fallen sofort einige Dinge sehr positiv auf: Die Nachkommen der Ureinwohner Kanadas, die heute respektvoll „First Nations People“ genannt werden, sind nicht in irgendwelche Reservate verbannt, sondern ein vitaler Bestandteil der kanadischen Gesellschaft. Ein Beispiel habe ich ja in meinem Blogbeitrag https://sabbatkr.wordpress.com/2018/06/20/recycling-made-in-canada/ aufgezeigt.

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Mit dem Verfassungsgesetz von 1982, das quasi eine Ergänzung zum „British North America Act“ von 1867 darstellt, wurde der „Multikulturalismus“ in Kanada zum Staatsprinzip erhoben. Davon sind wir heute in Deutschland, wo die Kanzlerin mal kurz „Multikulti“ für gescheitert erklärte,  noch Lichtjahre entfernt. ( www.spiegel.de/politik/deutschland/integration-merkel-erklaert-multikulti-fuer-gescheitert-a-723532.html ). Wie „Multikulti“ wirklich funktioniert, davon kann man sich beispielsweise in Vancouver überzeugen: 47,1 Prozent der Bevölkerung gehören einer von der kanadischen Statistikbehörde so bezeichneten „visible minority group“ (sichtbare Minderheit, d. h. alle Nicht-Weiße bzw. Nicht-Kaukasier mit Ausnahme von First Nations, Inuit und Métis) an. Vancouver weist mit 7,2 Prozent die höchste Rate an interkulturellen Ehen in Kanada auf (der Landesdurchschnitt beträgt 3,2 Prozent). All diese Zahlen würden bei einem AFD-Wähler wahrscheinlich den Blutdruck in ungesunde Höhen ansteigen lassen oder für ernste Herzprobleme sorgen. Apropos AFD: Wirft man einen Blick auf die aktuelle Zusammensetzung des kanadischen Parlaments (Senat und Unterhaus), sucht man eine rechtsradikale Partei vergebens. Zudem haben die Kanadier einen jungen, liberalen und charismatischen Premierminister anstelle eines narzisstischen Demagogen, wie er im Nachbarland zu finden ist.

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All dies lässt einem als Deutscher am „Canada Day“ in Toronto bewundernd -und ja auch ein wenig neidisch- auf dieses Land blicken. Kanada ist ein Land in Bewegung, aber in die richtige Richtung. So hat man vor kurzem als erster G7 Staat die komplette Legalisierung von Marihuana beschlossen, ein längst fälliger Schritt zur Entkriminalisierung des Konsums und gleichzeitig ein gewaltiger Schlag gegen die organisierte Kriminalität, die künftig um ihre Milliardenprofite fürchten muss.

It’s been too easy for our kids to get marijuana – and for criminals to reap the profits. Today, we change that. Our plan to legalize & regulate marijuana just passed the Senate.

Justine Trudeau auf Twitter, 19. Juni 2018.

Diese historische Entscheidung des kanadischen Parlaments wurde natürlich auch beim Canada Day gebührend -und mit Kreativität- gefeiert:

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Nein, an diesem „Canada Day“ hatte ich wahrlich keine Lust mehr, übers Netz Nachrichten aus meiner Heimat zu lesen: Vom kläglichen Versagen der deutschen Nationalmannschaft, vom unsäglichen Masterplan eines gewissen Herrn Horst S. aus Bayern und von akademischen Diskussionen, ob es besser wäre, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, statt sie zu retten. Das alles ist hier auf der anderen Seite des Atlantiks ganz weit weg. Ich werde mich damit wieder beschäftigen müssen, das weiß ich. Aber jetzt feiere ich einfach erstmal mit. Und das am besten, wie die Kanadier es auch machen, mit einem guten Craft-Beer aus einer lokalen Brauerei und einem richtig leckeren Hotdog.

In diesem Prost und guten Appetit: „Happy Canada Day!“

Wir lesen uns……

 

 

 

 

„Zügig reisen“! Mit dem „Canadian“ von Vancouver nach Toronto (Teil 3)

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Hallo und willkommen zurück! Schön, dass Ihr auch bei der dritten und letzten Etappe unserer Zugfahrt quer durch Kanada weiter dabei seid!

Nachdem wir British Columbia und Alberta hinter uns gelassen hatten, änderte sich die kanadische Landschaft komplett. Sowohl in Saskatchewan als auch in Manitoba herrschen weitläufige und sehr flache Präriegebiete vor. Auf Deutsch: „Man kann weit gucken! :-)“

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Mittlerweile waren wir unterwegs auf dem Weg nach Winnipeg, der Hauptstadt der Provinz Manitoba. Dort war ein längerer Stopp von rund einer Stunde vorgesehen, da ein größerer Teil der Passagiere dort den Zug verlassen würden und auf der anderen Seite auch andere Gruppen zusteigen würden, die den Rest des Weges mit nach Toronto fahren wollten. Unser Verspätungskontinent hatte sich nochmals erhöht, auf nunmehr rund 18 Stunden (!). Nun hieß es langsam mal rechnen: Eigentlich sollten wir ja planmäßig am Samstag Morgen um 09:30 Uhr in Toronto ankommen (was sowieso von vorneherein unmöglich war aufgrund des verspäteten Starts in Vancouver). Nun waren wir bei einer möglichen Ankunftszeit von 3.30 Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag angelangt. Zeit, unser Hotel zu stornieren, das wir für unsere erste Nacht in Toronto vorgesehen hatten, denn nur zum  Frühstück wollten wir eigentlich nicht einchecken. Andererseits machte man sich langsam Gedanken, was man denn in Toronto so anstellen würde, sollte man tatsächlich mitten in der Nacht am Bahnhof ankommen. Aber jetzt erstmal Winnipeg!

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Unser Steward Alan war für die „Bespaßung“ der Passagiere im Panoramawagen zuständig (u.a. hatte er mit uns einen Quiz veranstaltet, 15 Fragen waren zu beantworten, die erste Frage lautete: „Who killed Macbeth?“ Und wir als Theaterleute kamen nicht drauf! Zu peinlich! Ja, jetzt weiß ich auch wieder, dass es Macduff war :-)). Zudem kam er aus Winnipeg und wusste daher einiges über die Stadt zu berichten.

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Winnipeg als Hauptstadt der Provinz Manitoba kommt auf rund 660.000 Einwohner. Das reicht zwar nur für Platz 7 unter den größten Städten Kanadas, gleichzeitig sind es aber mehr als 50% der Bevölkerung der gesamte Provinz. Daran sieht man, wieviel Platz hier in der Mitte des Ahornlandes herrscht. Winnipeg beherbergt auch das „Kanadische Museum für Menschenrechte, das 2014 eröffnet wurde und sich nicht nur mit kanadischer Geschichte sondern vielmehr mit dem weltumspannenden Thema der Menschenrechte und deren Verletzungen (wie beispielsweise im Holcaust, beim Völkermord in Ruanda oder Armenien oder beim Massaker von Screbenica) beschäftigt. Sicherlich wäre das Museum einen Besuch wert gewesen; leider reichte dafür aber die Zeit unseres Aufenthalts in Winnipeg nicht aus. So blieb es bei einem kurzen Spaziergang, wo man sich nach rund 4 Tagen Zugfahrt endlich einmal die Beine vertreten konnte. Einen bedeutenden Kämpfer für die Menschenrechte haben wir dann in Winnipeg noch angetroffen.

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In Bahnhof Winnipeg wurden dann auch noch einmal die Vorräte für die letzte Etappe kräftig aufgefüllt, denn so langsam wurde wohl allen klar, dass die Verspätung nicht mehr in Stunden zu messen war, sondern dass wir vielmehr von einem ganzen Tag ausgehen mussten. Das hieß, die gesamte hungrige Meute (zu der wir ja auch gehörten) musste noch einmal mit Frühstück, Lunch und Dinner durchgefüttert werden.

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Und weiter ging es Winnipeg, auch wieder später als gedacht, da wir wieder mehrere Güterzüge passieren lassen mußten.

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Mittlerweile hatten wir ja eine ganze Menge unserer Mitreisenden im Zug näher kennengelernt, denn es ergaben sich bei den täglichen Mahlzeiten im Speisewagen als auch bei den vielen Stunden, die man im Panoramawagen gemeinsam verbrachte, immer wieder Gelegenheiten zu interessanten Gesprächen. Ein wirklich bunte Truppe war da unterwegs nach Toronto (in der wir – von einigen Ausnahmen abgesehen- eher noch zu den Jüngeren gehörten): Ein pensionierter Angehöriger der australischen Armee nebst Gattin, ein Psychologe aus Florida -ebenfalls in weiblicher Begleitung-, ein äußerst nettes Ehepaar aus Großbritannien (ja auch im Brexit-Country gibt es angenehme Überraschungen) und ein Kanadier aus Quebec, der die Reise bereits schon einmal mit Frau und Kind gemacht hatte und sie nun mit seiner Mutter wiederholte, wobei er während der Reise munter zwischen den Sprachen Englisch und Französisch wechselte. Wir alle waren ja quasi eine Schicksalsgemeinschaft, gemeinsam ergeben und ausgeliefert der Verspätung, die nunmehr locker auf die 24 Stunden ging. Währenddessen hatte sich das Bild draußen vor den Fenstern des Zuges mal wieder gewandelt. Nach den weiten Ebenen von Manitoba waren wir nun in der Provinz Ontario angelangt, sozusagen im Land der 1000 Seen, wie es sich eindrucksvoll da draußen dem vorbeifahrenden Zug und seinen Insassen präsentierte.

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Hier könnte der Zug jetzt doch eigentlich noch mal halten…

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Oder hier….?

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Oder vielleicht doch hier…?

Aber jetzt wurde nicht mehr gehalten, es ging immer weiter Richtung Toronto. Bald legte sich wieder die Abendstimmung über das vorbeiziehende Land und es wurden allen klar, dass wir auf jeden Fall noch eine Nacht länger als geplant an Bord bleiben würden, ja, es würde sogar am Sonntagmorgen noch einmal Frühstück geben.

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Als Ankunftszeit hatte man jetzt 10:30 angepeilt, satte 25 Stunden zu spät. Aber ganz ehrlich: Wir waren jetzt froh, dass es 25 und nicht beispielweise nur 17 oder 18 Stunden geworden sind, denn dann wären wir tatsächlich mitten in der Nacht in Toronto angekommen. So konnten wir noch in Ruhe ausschlafen und ein letztes leckeres Omelette im Speisewagen zu uns nehmen, bevor der Zug dann tatsächlich gegen 10:30 am Sonntagmorgen im Bahnhof Toronto einlief. Über den Bordlautsprecher gab der Zugleiter noch kurz vorher bekannt, dass man „darauf verzichten würde, die zusätzliche Nacht sowie das Frühstück extra zu berechnen“. Wir haben alle herzlich gelacht, so ein Scherzbold!! Aber wer weiß, vielleicht meinte er es ja ernst :-).

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Ein letzter Blick aus dem Panoramawagen nach vorne, dann hieß es langsam Abschied nehmen…

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Nun war unser Abenteuer „Zugfahrt durch Kanada“ so gut wie überstanden und wir hatten keine Minute davon bereut, trotz der Verspätungen (im Gegenteil: Dadurch hatten wir noch länger Gelegenheit, die wunderbaren Aussichten zu genießen). Jetzt hieß es nur noch im Bahnhof, das Gepäck wieder entgegenzunehmen und dann wieder in ein Leben zurückzukehren, das nicht ständig in Bewegung nach vorn ist (na ja „ständig“ ist jetzt auch übertrieben, man denke an die Güterzüge :-)).

Ob ich die Reise weiterempfehlen würde? Auf jeden Fall!! Vorausgesetzt, man bringt die nötige Zeit und Geduld mit und bucht sich nicht direkt einen Anschlußflug o.ä. (Auch solche Gäste waren an Bord und die bekamen natürlich aufgrund der immensen Verspätung schon einige Panik). Hier ist die Reise selbst das Ziel, sie zeigt einem das wunderbare Land Kanada in all seiner Schönheit und Pracht und lehrt Demut vor Entfernungen, die man mit einem gewöhnlichen Flug so gar nicht erfahren kann. Wenn man das alles berücksichtigt, kann diese Zugreise eine sehr bereichernde Erfahrung werden….so wie für uns!

Da wir nun am 1.Juli -und nicht wie vorgesehen am 30. Juni- in Toronto ankamen, platzten wir quasi mitten in die Feierlichkeiten des „Canada Days“ rein. Was es damit auf sich hat? Das erfahrt Ihr in meinem nächsten Blogbeitrag. Für heute möchte ich schließen und hoffe, dass ich Euch ein klein wenig mitnehmen konnte auf diese ungewöhnliche Zugfahrt. Ich sage, bis bald und wie immer am Schluß….

….Wir lesen uns….

Dann mit Neuigkeiten aus Toronto!

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„Zügig reisen“! Mit dem „Canadian“ von Vancouver nach Toronto (Teil 2)

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Hallo, lieber Leserschaft, da sind wir wieder zurück und immer noch im Zug quer durch Kanada. Nach unserem Start um 0.00 Uhr, einer ersten -eher kurzen- Nacht, einem reichhaltigen Frühstück und einem wunderbaren Vormittag im „Panorama“-Wagen mit fantastischen Ausblicken auf die Wildnis von British Columbia (die mich auch zu SW-Fotos wie u.a. animierte) war es jetzt Zeit für den ersten „Lunch“.

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Damit im Speisewagen kein allzu großer und unkontrollierter Zugang herrscht, hat die Eisenbahngesellschaft VIA ein entsprechendes System eingeführt: „First, second and third call for lunch!“, d.h. die Zugreisende werden in Intervallen „abgefüttert“, was das Ganze dann doch sehr entspannt machte. Wir entschieden uns für die spätestmögliche Variante, den „third call“ so gegen 14:00 Uhr, da wir eigentlich vom opulenten Frühstück noch sehr gut gesättigt waren. Nachdem wir rund 4 Wochen lang fast täglich auf Wanderschaft waren und uns weitestgehend auf zwei reichhaltige Mahlzeiten am Tag (Frühstück und Abend) beschränkt hatten, hieß es nun „Vollverpflegung ohne viel Bewegung“ (wenn man von dem Durchqueren einiger Zugwaggons mal absieht). Also sei hier an dieser Stelle schon gesagt: Wer an Gewichtsverlust leidet und gerne mal ein paar Pfund zunehmen möchte, der sollte sich überlegen, eine Reise mit dem „Canadian“ zu buchen. Die Waage daheim wird es danken :-). Denn die Auswahl zum Lunch als auch zum allabendlichen war immer „allererste Sahne“, und das jeweils in 3 Gängen! Hier ein kleine Auswahl der Speisen, die wir in dieser Woche zu uns nahmen: Hühnchen im Parmesanmantel, Entenkeulen-Confit, Meeresfrüchtespieße mit Jakobsmuscheln und Krabben, Bison-Burger und zum Frühstück u.a. Banana-Pancakes mit Honig und Pekannüssen. Es war ein einziges Fest 🙂

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So, jetzt mal Schluß mit der Mampferei und zurück zur Zugfahrt. Schließlich waren wir wegen der Ausblicke auf Kanada unterwegs, und die gab es in den ersten beiden Tagen reichlich zu bestaunen:

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Immer noch in British Columbia

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Auf dem Weg nach Alberta

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Abendstimmung im Panoramawagen

Nach den ersten 1 1/2 Tagen hatten wir schon eine satte Verspätung von über 10 Stunden eingefahren. Woran das lag? Nun, erstmal waren wir ja schon viel später gestartet als ursprünglich geplant (was auch daran lag, dass der Zug aus Toronto nach Vancouver kommend bereits Verspätung hatte), zum anderen haben die Verspätungen einen ganz simplen Grund. Und der heißt „Güterzüge“. Ein Großteil des Gütertransports läuft in dem Riesenland Kanada über die Schiene, die Güterzüge sind hier oft weit über 100 Waggons lang und erscheinen schier endlos…und die Güterzüge haben immer Vorfahrt vor dem Personenverkehr. Da weite Teile der Strecke zwischen Vancouver und Toronto nur mit einer Schienenspur für beide Richtungen anlegt sind, hieß das oft für uns: „Halten und Warten“, wenn das Signal auf Rot stand.

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Teilweise versuchte der Zugführer wohl, die Verspätungen durch erhöhte Geschwindigkeit wieder wett zumachen. So wurden wir insbesondere in der 3. Nacht unserer Fahrt ziemlich um dem Schlaf gebracht, da man in seinem Schlafwagenabteil immer wieder buchstäblich hin- und hergeschleudert wurde, ja teilweise fühlte es sich so an, als würde der Zug gleich aus den Schienen springen, aber am Ende ging zum Glück alles gut! Es hatte aber auch einen Vorteil, dass ich wieder früh wach war, denn so konnte ich aus meinem Fenster eine wunderbare Morgenstimmung beobachten.

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Überhaupt war das Spiel der Farben am kanadischen Himmel faszinierend, auch am Abend, als wir -schon mehr in der Mitte Kanadas- in Saskatoon, der Hauptstadt der Provinz Saskatchewan hielten. Dort konnten wir uns tatsächlich für rund eine halbe Stunde außerhalb des Zuges auf dem Bahnsteig die Beine vertreten und wenigstens die ein oder andere Kalorie unserer reichhaltigen Verpflegung wieder ablaufen. Und dazu genossen wir das prächtige Abendrot.

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Puuh, ich merke gerade, auch ein zweiter Teil reicht gar nicht aus, um alle Eindrücke unsere Zugfahrt zu schildern und mit Euch zu teilen. Deshalb werde ich hier einmal Schluß machen und freue mich, Euch dann zum dritten und letzten Teil dieser Blog-Serie wieder zu begrüßen, wenn es durch die beiden letzten Provinzen Manitoba und Ontario bis nach Toronto geht. Bei der Verspätung waren mittlerweile gut im zweistelligen Bereich von irgendwas um die 15 Stunden angekommen, aber das sollte noch nicht das Ende sein. Wir machten uns bereit für eine weitere Nacht im „Canadian“ auf dem Weg nach Winnipeg, der Hauptstadt der Provinz Manitoba. Einstweilen: Gute Nacht!

Wir lesen uns……

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„Zügig reisen“ – Mit dem „Canadian“ von Vancouver nach Toronto (Teil 1)

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Hallo liebe Leserinnen und Leser und herzlich willkommen zurück!

Heute möchte ich erste Eindrücke unseres Abenteuers „Zugfahrt durch Kanada“ mit Euch teilen. Und eine Sache mal vorneweg: Ich werde mich nie mehr, in Worten: „NIE MEHR“ aufregen, wenn ein Zug der Deutschen Bahn mal „ein paar“ Minuten haben sollte. Denn was auf unserer Fahrt von Vancouver nach Toronto an „delay“ zusammenkam, da würde sogar Dr. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der DB, blass vor Neid werden. Doch dazu später mehr.

Bahn-Warnstreiks-Karlsruhe

Als wir vor gut einem Jahr damit begannen, unsere Reise nach Kanada zu planen, war uns schnell klar, dass wir hier ein riesiges Land vor uns hatten, das die (räumlichen) Dimensionen aller unser bisherigen Reiserfahrungen sprengen würde. Nachdem wir uns dann für die „Sunshine Coast“ als festen Standort entschieden hatten, an dem wir länger verweilen wollten (eine sehr gute Entscheidung, wie ich hier ja bereits hier aufgeführt hatte: https://sabbatkr.wordpress.com/2018/07/02/auf-der-sonnenseite-des-lebens/), wollten wir aber auch die Größe und Weite des Landes unmittelbar erfahren. Ein Flug kann dieses Gefühl nicht wirklich vermitteln, tausende von Kilometern mit den PKW zu „fressen“ war jetzt auch nicht so unser Ding. Warum also nicht den Zug nehmen?

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Schnell wurde uns dann klar, wenn wir wirklich Kanada als ganzes Land auch annähernd erfahren wollten, dann sollten wir den „Great Western Way“ wählen, ein Zugstrecke, die von der staatlichen kanadischen Eisenbahngesellschaft VIA betrieben wird.  Einmal pro Woche wird hier eine Zugverbindung angeboten, die Dich von Vancouver ganz im Westen Kanadas über mehr als 4.500 Schienenkilometer bis nach Toronto  „planmäßig“ (auf dieses Wort kommen wir noch zurück) in 4 Nächten und 3 Tagen „durchgehender“ (auch der Begriff wäre noch besprechen) Zugfahrt bringt.

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Startet man den „Great Western Way“ in Vancouver, verläuft dieser zunächst durch die Provinz „British Columbia“, überquert die kanadischen Ausläufer der „Rocky Mountains“, gelangt ins idyllische „Alberta“, durchquert die weitläufigen Präriestätten der Provinzen „Saskatchewan“ und „Manitoba“, bevor man nach „Ontario“ in das Land der 1000 Seen gelangt und letztendlich Toronto erreicht. Was sich hier so kurz und knackig liest, ist dann in der Realität des Reisens aber eine ganz andere Erfahrung…

great western way

VIA bietet hier ihren Kunden -je nach verfügbarem Budget- verschiedene Möglichkeiten des Reisens an: Von der „Economy Class“ (d.h. nur ein einfacher Sitzplatz während der gesamten Reise) bis hin zur Luxusversion „Prestige Class“ (mit eigener Kabine und persönlichem Waschraum/Toilette, das Ganze zum Preise einer 14tägigen Kreuzfahrt :-). Wir entschieden uns für den „Mittelweg“ und buchten „Sleeper Plus“, d.h. zwei Sitzplätze, die für die Nächte vom für das Abteil zuständigen Steward in 2 Schlafplätze in Etagenbett-Format („Lower and Upper Berth“) umgewandelt wurden. Mit einem verschließbaren Vorhang hatte man dann quasi seinen eigenen privaten Bereich und eine perfekte Schlafkabine mit Waschräumen und Dusche gleich nebenan.

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Los ging es von der „Vancouver Pacific Central Station“, einem sehr schönen alten Bahnhof in der Nähe von Downtown Vancouver, in dem aber wenig Betrieb herrschte, da von hier aus tatsächlich nur die Langstreckenzüge abfahren. Insofern war hier am Dienstagmorgen von einer hektischen Betriebsamkeit, wie sie man beispielsweise vom Kölner HBF kennt, nichts zu spüren. Alles sehr entspannt!

Auch wir waren sehr entspannt, hatten wir doch erfahren, dass wir vor Ort schon am Dienstag morgen unser Gepäck für den Zug abgeben konnten, obwohl die Abfahrt erst für abends 20:30 Uhr terminiert war. Sehr komfortabel! So hatten wir quasi den Rücken frei für einen weiteren Tag im sonnigen Vancouver. Allerdings erfuhren wir dann vom freundlichen Herrn bei der Gepäckaufgabe in der „Pacific Central Station“, den wir am Dienstag Vormittag gegen 11:00 aussuchten, dass sich die Abfahrt des Zuges am Abend „etwas“ verzögern würde…genauer gesagt, um 3 1/2 Stunden, d.h. der neue Abfahrtszeitpunkt war für Mitternacht angesetzt. Auch in puncto „Verspätungen“ denkt man in Kanada anscheinend in großen Dimensionen. Also mehr als genug Zeit, noch einmal die schönen Seiten von Vancouver zu genießen und sich beispielsweise noch „Chinatown anzuschauen!

Nachdem wir uns tagsüber noch einmal zur Sicherheit telefonisch bei VIA erkundigt hatten und uns bestätigt wurde, dass der Zug tatsächlich erst um Mitternacht starten würde, waren wir trotzdem am Abend gegen 21:00 Uhr wieder am Bahnhof, des Laufens durch Vancouver nach rund 10 Stunden wohl etwas müde. Außerdem gab es im Bahnhof ja eine „Lounge“ für „Sleeper Plus“ Kunden, wo wir vorhatten, es uns für die letzten Stunden bis zur Abfahrt gemütlich zu machen. Das dachten wohl auch viele andere Bahnfahrer und so hatten wir Glück, noch zwei „Indoor“-Plätze ergattern zu können, während die weiteren Neuankömmlinge bereits draußen auf dem Bahnsteig Platz nehmen mussten. (Allerdings war der Abend sehr mild und VIA reichte aufgrund der besonderen Situation Snacks und Häppchen, so dass die Stimmung insgesamt recht positiv trotz der angepeilten 3 1/2 Stunden Verspätung.)

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Gegen 23.40 Uhr ergab sich dann eine allgemeine Aufbruchstimmung und alle strebten dem Zug, respektive ihrem reservierten Waggon entgegen. Auch wir machten uns auf die Socken und hielten dann auf dem Bahnsteig Ausschau nach „unserem“ Wagen Nr. 213. Der Weg dorthin entpuppte sich als längerer Fußweg, so dass man fast das Gefühl hatte, man würde die Strecke nach Toronto jetzt einfach laufen….

Die Züge sind schon wirklich ziemlich lang. Hier ein Foto, das wir während unserer Fahrt bei einem Zwischenstopp in Saskatoon aufgenommen haben.

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Doch zurück zum Beginn unserer Reise: Endlich angekommen und eingestiegen in unserem Waggon, erwartete uns unser freundlicher Steward Steven, der für unser Abteil zuständig war und bereits die „Schlafgemächer“ -wie oben beschrieben- hergerichtet hatte. Und so begann unsere Reise auf dem „Great Western Way“ mitten in der Nacht mit reichlich Verspätung, aber auch mit viel Vorfreude auf den vor uns liegenden Weg. So richtig einschlafen konnte und wollte man am Anfang nicht, aber irgendwann hatte man sich auch an das Geruckel des Zuges gewöhnt, das einen mal mehr, mal weniger sanft in den Schlaf schaukelte. Frühmorgens wurde ich dann aber auch wieder wach und konnte aus dem Abteilfenster in meiner „Lower Berth“ erste Blicke auf die Morgendämmerung in British Columbia werfen.

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Morgendämmerung am Bahnübergang

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Faszinierende Brückenkonstruktionen

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Entlang des Fraser River

Ein kurzer Blick auf Google Maps zeigte mir auf meinem Handy-Display, dass sich der blaue Punkt „Mein Standort“ gerade mal gefühlt einen Millimeter von Vancouver entfernt hatte, trotz rund 6 Stunden Zugfahrt und trotz der Tatsache, dass wir uns -den Blick aus dem Fenster entsprechend- bereits mitten in der kanadischen Wildnis befanden. In diesem Moment wurde mir nochmal die Größe des Landes und die Länge der uns bevorstehenden Reise so richtig bewusst! Übrigens: GPS war auch das Einzige, was hier noch funktionierte. An Bord gab es kein W-Lan und mobiles Netz war über weite Strecken hier im kanadischen Nirwana auch nicht zu empfangen. Dergestalt offline zu sein, hatte aber auch sein Gutes, denn so verpasste ich um 07.00 Uhr morgens Ortszeit im Zug samt und sonders das grausame Gekicke der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Südkorea. Ich Glücklicher! Es reichte völlig aus, dass ich mir später das Ergebnis von meiner Mutter telefonisch durchsagen ließ. Statt 90 Minuten verschenkter Lebenszeit konnte ich mich nun darauf konzentrieren, was uns in den nächsten Tagen Zugfahrt noch regelmäßig beschäftigen würde: Die Nahrungsaufnahme 🙂

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Da wir „Sleeper Plus“ gebucht hatten, kamen wir auch in den Genuss der Vollverpflegung durch das bordeigene Gastroteam im eigens dafür vorgesehenen Speisewagen. Und diese „Vollpension“ war wirklich erstklassig. Wir starteten mit einem wunderbaren Frühstück in unserem ersten Morgen an Bord des „Canadian“. Ob Pancakes, pochierte Eier, Omelette oder Müsli, hier kam jeder auf seine Kosten. Dabei der Ausblick auf die vorbeirasende Landschaft…man hat schon schlechter gefrühstückt 🙂

Derart gestärkt erklommen wir danach den Panoramawagen, der uns mit seiner Rundumverglasung jederzeit einen umfassenden und ungehinderten Blick auf unsere Umgebung ermöglichte.

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Die verspätete Abfahrt war da längst vergessen. Außerdem: Wir hatten ja Zeit. Kein Termin, keine dringende Angelegenheit, keine direkt Weiterfahrt, die am Ziel in Toronto auf uns warten würde. Hier war die Reise bereits selbst das Ziel geworden, kein einfacher Transport von A nach B, sondern eine entspanntes Dahingleiten in der Zeit und in der Landschaft.

Es ging weiter in Richtung der Rocky Mountains, während wir Stunden um Stunden im Panoramawaggon saßen und Kanada in seiner ganzen Schönheit an uns vorbeizog.

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Hier möchte ich erst einmal enden, ich hoffe, meine ersten Eindrücke von unserer Zugfahrt haben Euch gefallen. Es gibt noch viel zu berichten und viele Fotos zu betrachten, davon dann mehr im 2. Teil. Wir müssen jetzt erstmal zum Mittagessen, der Speisewagen ruft wieder 🙂

Bis bald, wenn es heißt „Zügig reisen – Teil 2“!

Wir lesen uns…..

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